Pressemitteilung

Herr Meisch oder „Die Axt am Baum der Mehrsprachigkeit“

Man kennt das Beispiel des Froschs, der, wenn das Wasser sich zügig erwärmt, aus dem Behälter herausspringt, bei nur allmählichem Temperaturanstieg jedoch im Wasser sitzen bleibt und schließlich verendet. Gemessen an demokratischen Zeitläufen, ist Herr Meisch schon gefühlte Ewigkeiten mit dem Bildungsressort vertraut. Seit seinem Amtsantritt im Jahr 2013, vermehrt jedoch nach dem Konfliktjahr 2015, hat sich der Minister in seine Wagenburg zurückgezogen. Statt der großspurig angekündigten „Bildung im Dialog“ macht sich eine Schein-Kommunikation breit. Sogenannte „Experts en communication“ übernehmen mit billig-seichten Social-Media-Inhalten sowie mit monatlich zugestellten Hochglanzmails die Verkündigung der Bildungspolitik an das Volk und die Beamten.

Etwa einmal (!) pro Legislaturperiode werden normal sterbliche Gewerkschaftsvertreter in Clausen vorgeladen, um daselbst Scheindialoge führen zu dürfen. Nettes Lächeln, smartes Tippen am iPhone, unverbindliche bis gelangweilte Reaktionen bei denen, die auf die Stimme der Gewerkschaften und deren insgesamt Tausenden von Mitgliedern angewiesen sind.

Der jüngste Vorstoß, die Sprachkompetenzen der Schüler in den Fächern „Deutsch“ und „Englisch“ auf den Klassenstufen 6e bzw. 5e noch stärker zu begrenzen, ist symptomatisch für die Methode „Claude Meisch“: Die Teile-und-Herrsche-Strategie, wonach einzelne Fächervertreter jeweils viel Gehör, andere gar keins finden, damit sich die Fachgruppen später streiten, wird jedoch nicht aufgehen. Niemand verschließt sich einer Förderung der Bewegung und des Sports im öffentlichen Unterricht. Verwerflich ist jedoch die perfide Art und Weise, wie nun die Axt an unser wichtigstes geistiges Gut gelegt wird: Die Mehrsprachigkeit ist für ein kleines Land ohne bedeutende Bodenschätze mitten in Europa von erheblicher strategischer Bedeutung.

Die völlig strategiefreie Einführung der iPads vor ein paar Jahren verlief nach demselben Muster. Ein „Nice to have“ wurde in Form eines digital auf Sparflamme funktionierenden iPads unter die glückliche Schüler- und Elternschaft gegeben. Statt aber wie etwa an deutschen Schulen vorab ein didaktisches Konzept zu erarbeiten, wurde die rhetorische Allzweckwaffe der „Autonomie“ gezückt. Die Schulen sollten bitte die Arbeit des Ministeriums übernehmen und sich für den Tablet-Gebrauch eine Methode ausdenken. Ein ganzheitliches Konzept jedoch zum Einsatz digitaler Medien fehlt bis heute.

Als auf Klasse 10 (4e) aus rein populistischen Erwägungen heraus Luxemburgisch eingeführt wurde, verlief die opake Kommunikationsstrategie des Ministers ähnlich. Um einer Oppositionspartei Stimmen abzujagen, wurde kurzerhand das Fach „Deutsch“ gemolken, um für das Luxemburgische, das vor allem eine mündliche Integrationssprache, jedoch keine Bildungssprache darstellt, eine Stunde freizumachen. Wie es jedoch ansonsten mit dem Stellenwert des Luxemburgischen bestellt ist und ob diese Sprache eine echte Förderung unserer Schüler oder lediglich Augenwischerei in einem überregional geprägten Umfeld darstellt, dazu hüllt sich das MEN in nobles Schweigen.

Auch beim rezenten Vorhaben der angeblichen Sport-Förderung unserer Jugend stellt sich die Frage, ob hier ein holistisches Konzept, das sich bis zum Abitur erstreckt, vorliegt, oder ob erneut die Mehrsprachigkeit leiden muss, damit politische Kurzschlusshandlungen umgesetzt werden können. Cui bono also? Nach 12 Jahren wäre der Minister der Lehrerschaft endlich eine vollumfängliche Erklärung seiner übergeordneten Bildungsziele, falls welche vorhanden, schuldig. Die Konzeptlosigkeit des Ministers offenbart sich nicht zuletzt auch darin, dass die Schüler durch die Einführung des Fachs „Digital Sciences“ noch mehr Zeit vor den Bildschirmen verbringen. Nun soll die Bildschirmzeit wieder auf Kosten des Sprachenunterrichts reduziert werden. Vielleicht ließen sich kurzerhand die „Digital Sciences“ durch Sport ersetzen. Daneben steht es einem Minister innerhalb eines Rechtsstaates gut zu Gesicht, wenn er seine Partner nicht nur qua Scheindialog, sondern in wirklichen Kommunikationsschritten einbezieht. Das steigert die Akzeptanz der vorgenommenen Reformen erheblich und stellt sicher, dass die Mehrsprachigkeit, das Gold des Großherzogtums, auch morgen noch garantiert ist. Ansonsten wird die Mehrsprachigkeit ähnlich wie der eingangs erwähnte Frosch im Glas langsam aber sicher verglühen.

Der AGESS-Exekutivvorstand

Daniel Reding
Estelle Kerschen
Alain Kieffer
Eric Bruch

Luxemburg, den 9. März 2025